Samstag, 24. Januar 2009
 
Folteropfer droht Deportation nach Russland PDF Drucken E-Mail
Geschrieben von Michael Genner   
Dienstag, 3. Juli 2007

Wer unseren Schutz braucht, der bekommt ihn auch, beteuert Innenminister Günter Platter immer wieder. Die Praxis sieht anders aus. Immer wieder werden selbst schwerst traumatisierte Flüchtlinge von der auf Abschiebung getrimmten Bürokratie abgewiesen.

Herr Islam A. ist aus Tschetschenien nach Österreich geflüchtet. Im ersten Krieg war er durch eine Minenexplosion verletzt worden; seither ist er gehbehindert. 2006 wurde er dreimal festgenommen und gefoltert (Elektroschocks, Kolbenhiebe).

Als er hierher kam, war er so traumatisiert, daß man ihn – was selten vorkommt – zum inhaltlichen Verfahren zugelassen hat. Aber jetzt sitzt er, wie wir hören, in Eisenstadt in Schubhaft. Er soll abgeschoben werden - nicht in einen „sicheren“ Dublinstaat, sondern nach Russland, direkt in Putins Folterlager.

So will es das Bundesasylamt, Außenstelle Eisenstadt, in Gestalt des Amtsdirektors und Regierungsrats Andritsch. Dieser Herr ist uns seit vielen Jahren bekannt.

Der Amtsdirektor wies den Asylantrag des Folteropfers ab. Den Bescheid hat Islam nie erhalten. Er war nicht in Grundversorgung, hatte keine Zustelladresse; man hat ihn nämlich in Eisenstadt nach der Einvernahme weggeschickt. Der Bescheid wurde „im Akt hinterlegt“. Rechtskräftig negativ!

Aus dem Befundbericht eines Facharztes für Neurologie und Psychiatrie, der Islam untersucht hat: „Ausgeprägte Schlafstörungen, nachts Intrusionen mit Wiederauftauchen der Folterszenen. Unterkieferfraktur (Kolbenstoß mit automatischer Pistole). Posttraumatische Belastungsstörung“.

Islam war nach seiner Ankunft zunächst in der „Betreuungsstelle“ Bad Kreuzen untergebracht. Psychisch schwer bedient, hielt er es dort nicht aus. Er erhielt dort auch nicht die medizinische Behandlung, die er brauchte. Vergebens hatte der Psychiater „aufgrund der öfters erforderlichen Arztbesuche die Verlegung in eine zentrumsnähere Versorgung“ empfohlen.

Islam hatte gehört, sein Bruder sei in der Slowakei. Er wollte zu ihm; also verließ er das Lager und reiste illegal in die Slowakei! Ganz absurd natürlich, alle anderen flüchten gerade von dort nach Österreich.

Sein Bruder war aber gar nicht mehr dort und die Slowaken schoben ihn zurück nach Österreich. Am 8. Mai wurde er in Eisenstadt befragt. Und dann – raus mit ihm, auf die Straße! Soll er selber sehen, wo er bleibt. Ein klarer Verstoß der Behörde gegen ihre gesetzliche Pflicht.

Islam schlief dann einmal da, einmal dort; er fand niemanden, der bereit gewesen wäre, ihn länger (und vor allem: mit Meldezettel) aufzunehmen. Er lebte von gelegentlicher Schwarzarbeit. Was sonst sollte er tun? Nur - von sich aus Schritte zu setzen, um wieder in die Grundversorgung zu kommen, war er nicht imstande. Für Kontakte mit Österreichs Ämtern (denen auch gesunde Inländer kaum gewachsen sind) war er viel zu traumatisiert.

Drei Tage nach der Einvernahme erließ Herr Andritsch den Bescheid und hinterlegte ihn im Akt. In der „Beurkundung“ dieses Vorgangs steht: „Der im Betreff Genannte ist an der angegebenen Zustelladresse nicht mehr aufhältig“. Welche Zustelladresse? Er hatte doch gar keine. Und daran war nicht er, sondern die Behörde schuld.

Islam fand schließlich den Weg zu Asyl in Not. Unsere Sozialarbeiterin bemühte sich um seine Wiederaufnahme in die Grundversorgung – jedoch ohne Erfolg: Sie erhielt die Auskunft, das Verfahren sei rechtskräftig negativ abgeschlossen.

Islam hat mir Vollmacht erteilt. Erst nach einigem Drängen erhielten wir Akteneinsicht – und fanden den negativen Bescheid. Islam, steht darin, habe sich in seinen Angaben über die Zeitpunkte der mehrmaligen Festnahmen und Folterungen widersprochen. Unglaubwürdig! Dabei steht sogar in der Niederschrift, daß Islam „aufgrund der erlittenen Misshandlungen sehr viel vergesse“.

Ich habe nun einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung gestellt und die versäumte Berufung nachgeholt.

Islam wurde vor einigen Tagen bei einer Ausweiskontrolle verhaftet. Solange Wiedereinsetzung und aufschiebende Wirkung nicht bewilligt sind, kann er jederzeit abgeschoben werden. Direkt nach Russland, in den Verfolgerstaat. Dort droht ihm neuerliche Folter, ja der Tod.


Liebe Leserinnen und Leser!

Schicken Sie Protestmails an Herrn Platter, , und an Herrn Andritsch, Bundesasylamt Eisenstadt, Kopien bitte an uns uns.

Schreiben Sie Leserbriefe an Zeitungen; schreiben Sie an die Abgeordneten Ihres Wahlkreises. Fordern Sie, dass es anders wird in diesem Land.

Islam A. darf nicht abgeschoben werden. Amtsdirektor Andritsch muß aus dem Bundesasylamt hinaus.


Michael Genner
Obmann von Asyl in Not

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